Von: Yannick Wild (Bauingenieur, Holzbauingenieur)
Stand: 15.01.2022
Mangel oder Schaden?
Ein Hausbau ist häufig eine lang ersehnte und bedeutende Investition, die eine sorgfältige Planung erfordert. Dennoch können Mängel oder Schäden auftreten, die nicht nur den Traum vom Eigenheim gefährden, sondern auch finanzielle Belastungen verursachen können. Daher ist es entscheidend, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen und die Unterschiede zwischen einem Mangel und einem Schaden sowie deren Bewertung zu verstehen.
HINWEIS : Bei den folgenden Artikel handelt es sich um allgemeine Informationen, welche nach bestem Wissen und Gewissen und nach gründlichen Recherchen erstellt wurden. Irrtümer oder Fehler, welche sich aus veränderten Randbedingungen ergeben könnten, sind dennoch nicht ausgeschlossen, so dass der Verfasser keinerlei Haftung übernehmen kann. Insbesondere bei rechtlichen Fragestellungen sollte ein Fachanwalt mit einbezogen werden.
Bauboom als Grund für Mängel?
Der Hausbau erlebt einen Boom, die Auftragsbücher sind voll und die Firmen stehen unter enormem Zeitdruck. Daher ist es nicht überraschend, dass sich schnell Mängel auf der Baustelle einschleichen, die sich beim nächsten Rundgang im zukünftigen Haus bemerkbar machen.
Oft fragen sich Bauherren dann, ob die erbrachte Leistung eines Bauunternehmers mangelhaft ist oder bereits einen Bauschaden darstellt. Können Bauherr und Auftragnehmer keine Einigung erzielen, bleibt oft nur der Gang zum Gericht. Dies ist nicht nur teuer, da Gutachter und Anwälte zunächst aus eigener Tasche bezahlt werden müssen, sondern kann auch den Baufortschritt beeinträchtigen, wenn Folgegewerke ihre Arbeiten nicht aufnehmen können.
Um Ihnen Klarheit zu verschaffen, haben wir uns intensiv mit dem Thema Mängel und Schäden auseinandergesetzt und werden es in einer Reihe von Artikeln genauer behandeln.
Definition von Mangel und Schaden
Als Bauherr und Käufer eines Gebäude haben Sie nach dem § 633 BGB und nach dem § 13 der VOB/B einen Anspruch auf eine mangelfreie Bauleistung. Welcher der beiden Paragraphen für Sie gilt kommt dabei ganz auf Ihren Vertrag an, bereits im Artikel zu der richtigen Vergabe haben wir Ihnen die verschiedenen Vergabemöglichkeiten mit ihren Vor- und Nachteilen erläutert.
Weiter muss geklärt werden was mit dem Bauherren vereinbart wurde. Haben Sie wie im Normalfall üblich keine besondere Extraleistung vereinbart, gelten die Leistungen entsprechen den anerkannten Regeln der Technik. Diese Regeln basieren auf Einigungen von Fachverbänden, die sich auf einen einheitlichen Standard geeinigt haben, Herstellerempfehlungen oder aus Anforderungen basierend auf den neusten DIN-Normen.
Weicht also eine erbrachte Leistung von diesen „Standard“ ab, gilt es zu klären ob es sich wirklich um einen Mangel, Schaden oder nur einer Abweichung handelt. Diese Einstufung ist maßgebend ob und in welchem Rahmen Sie Anspruch auf Nachbesserung oder eine Minderung der Zahlung haben.
Unregelmäßigkeit ein Mangel?
Unregelmäßigkeiten beschreiben kleinere Abweichungen wie z.B. einer leichten Farbabweichung in einem Holzbalken oder einer kleineren Unebenheit bei Fließen.
Diese Entsprechend zwar nicht der gängigen Praxis, gelten aber als hinnehmbar geben Ihnen keinen Anspruch auf Nachbesserungen oder Minderungen.
Bei einem Mangel sind die Abweichungen schon deutlicher und sind nicht mehr auf einer kleineren Fläche anzutreffen. Hier spricht man davon, das die erbrachte Leistung den Wert oder die Tauglichkeit stark mindert. Als Beispiel können Sie sich eine nicht mehr schließbare Türe oder eine großflächige Verfärbung auf einem Holzbalkens vorstellen. Allerdings sind die Entscheidungen vor deutschen Gerichten nicht immer so deutlich wie sie hier erwähnt werden.
Von einem Schaden spricht man dann, wenn eine starke Einschränkung der Nutzung auf Grund einer fehlerhaften Ausführung eingetreten ist. Also nicht die Erwartungen die man in der Bauphase an diesen Abschnitt hatte eingehalten werden kann. z.B. die Bewohnbarkeit eines Zimmers Aufgrund von Schimmel oder die Tragfähigkeit eines Trägers Aufgrund fehlender Verbindungsmittel und die dadurch eingetretenen Setzungen oder Risse im Tragwerk.
"aber der Kunde wollte es so"
Häufig versuchen sich Planer und andere Auftragnehmer damit herauszureden, dass Mängel oder Schäden auf die Sonderwünsche des Kunden zurückzuführen sind. Diese Argumentation ist jedoch in den meisten Fällen haltlos. Wenn Sie als Laie den Auftragnehmer mit einem Vorschlag konfrontieren, bei dem es dem Fachmann klar sein muss, dass eine Umsetzung ohne Schäden nicht möglich ist, verletzt dieser seine Hinweispflicht. Eine Ausnahme besteht nur, wenn der Fachmann schriftlich über das Risiko informiert und sicherstellt, dass im Voraus darüber informiert wurde und von einer Haftung befreit wurde. Diese Regelung gilt jedoch nicht, wenn das geforderte Werk gegen geltendes Baurecht verstößt. Beispielsweise wenn Sie den Zimmermann auffordern, einen Balken schmaler auszuführen, als vom Statiker berechnet.
Faktor Zeit als Grund für einen Mangel
Entspricht eine erbrachte Leistung zu Beginn seinem Zweck aber verändert sich im laufe der Zeit, so kann auch dies ein Mangel oder ein Schaden darstellen. Wichtig auch hierbei ist die Art der Veränderung oder der Einschränkung. Melden Sie nach einigen Jahren eine Mangel- oder Schadensanzeige an den Auftragnehmer ist zu klären ob diese Beeinträchtigungen nicht absehbar gewesen war. So z.B. bei einer Vergrauung einer Holzaußenfassade, diese ist auf natürliche Ursachen zurück zuschließen und nicht vom Auftragnehmer beeinflussbar, aber auch hier hat der Auftragnehmer eine Hinweispflicht auf mögliche Intervalwartungen. Auch Risse im Putz sind in einem gewissen Umfang nicht zu vermeiden und auf thermische Ausdehnungen des Materials zurückzuführen.
Erscheinungsbild und technische Funktion
Zur Bewertung von Mängeln und Schäden auf Baustellen dienen zwei Parameter, die die Schwere des jeweiligen Fehlers festlegen. Die Gewichtung erfolgt dabei aber nicht immer gleich, so ist eine schwer schließbare Kellertüre geringer zu bemängeln als eine schwer schließbare Hauseingangstüre. Auch ein optischer Mangel in einem Hotel der von vielen Gästen gesehen werden kann wird schwerer bewertet als der selbe Mangel in einem Einfamilienhaus. Es zählt also auch hier der Zweck der an das Bauwerk gestellt wird. Allerdings lässt sich sagen das ein objektiver Mangel schwerer einzustufen ist als ein technischer, da nicht jeder optische Mangel für einen anderen gleich sein muss. So spiegelt es sich leider auch in vielen Gerichtsurteilen wieder.
1995 schrieben Rainer Oswald und Ruth Abel hierzu einen „Leitfaden zur Bewertung hinzunehmender Unregelmäßigkeiten.“
Fazit
Die Einschätzung, ob eine Leistung als Mangel, Schaden oder als akzeptabel anzusehen ist, kann gut durch die oben genannten Methoden erfolgen. Obwohl Richter oft den Empfehlungen staatlich geprüfter Gutachter folgen, bleibt es insbesondere bei Fällen mit optischen Beeinträchtigungen dem Richter überlassen, wie er entscheidet. Daher sollte zunächst immer versucht werden, sich außergerichtlich mit dem Unternehmen zu einigen, da die meisten Firmen sich ihrer Verantwortung bewusst sind und kooperativ sind. Eine Gerichtsverhandlung sollte also das letzte Mittel sein, das Sie anstreben sollten.
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