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Von: Yannick Wild (Bauingenieur, Holzbauingenieur)

Stand: 09.03.2024

Überblattung richtig sanieren

Zimmerleute nutzen gerne Überblattungen, um Balken miteinander zu verbinden, wenn sie nicht als ein Bauteil montiert oder geliefert werden können. Trotz ihrer langen Tradition im Holzbau treten jedoch immer wieder Planungs- und Ausführungsfehler auf, auch bei Zimmerleuten.  Bei der Beurteilung spielen oft Kleinigkeiten eine entscheidende Rolle um eine Überblattung richtig sanieren zu können.

Ausgangssituation und Schadensbild

Ein langer horizontaler Spalt entlang der Kante der Ausklinkung zwischen der Stütze und dem Kopfband wurde im Laufe der Zeit immer länger und breiter. Nun gilt es, die Ursache zu analysieren sowie die möglichen Folgen und Lösungen zur Stopfung der Rissausbreitung zu erörtern.

Überblattung mit Kehlbalken als Dachvorbau

ursprüngliche Planungsausführung

Anhand der Darstellung zeigt sich die ursprüngliche Konstruktionsidee der ausführenden Zimmerei. Erkennbar, die Überblattung der beiden Pfettenteile wurde direkt über die Stütze gelegt. Warum diese Ausführung problematisch ist wird sich gleich zeigen.

Kopfband idealisiert

ideales statisches System

Um die Überblattung richtig sanieren zu können, ist es zunächst sinnvoll, das zugrundeliegende statische System der Konstruktion zu analysieren. Statische Systeme werden verwendet, um einwirkende Kräfte zu berechnen und die Standsicherheit zu überprüfen. Die Kreise an den Ecken signalisieren, dass nur horizontale und vertikale Kräfte wirken und kein Drehmoment entsteht, was ein gelenkiges Lager kennzeichnet. Um ein gelenkiges Lager zu verstehen, stellen Sie sich vor, Sie sitzen auf einem Stuhl, Ihre Beine baumeln frei. Wenn eine Kraft auf Ihren Fuß wirkt, kann sich Ihr Bein um das Kniegelenk bewegen. Wenn Sie jedoch Ihre Muskeln anspannen und gegen die Kraft drücken, entsteht ein Moment am Knie entsprechend der Länge Ihres Beins multipliziert mit der Kraft, in diesem Fall spricht man von einem starren Lager.
Statisches System einer Kopfbandkonstruktion

Momentenverlauf

Die rote Linie, die den Momentenverlauf darstellt und grob als Durchbiegungsverlauf betrachtet werden kann, zeigt eine maximale Beanspruchung im Bereich der Köpfbänder. Diese Beanspruchung nimmt wieder ab, bis sie am Auflager, an dem sich die Überblattung befindet, endet.
idealer Momentenverlauf einer Kopfbandkonstruktion

tatsächlicher Momentenverlauf

Die Überblattung von oben in die Stütze verschraubt wurde, sodass nicht mehr von einem Gelenk gesprochen werden kann. Obwohl Schrauben rechnerisch keine Momentenkräfte aufnehmen, erzeugt die Verschraubung dennoch eine gewisse Einspannungswirkung, die der Verdrehung entgegenwirkt. Zusätzlich trägt der über dem Stoß liegende Sparren dazu bei, diesen Bereich zu überdrücken und den Einspannungseffekt zu verstärken.

tatsächlicher Momentenverlauf einer Kopfbandkonstruktion

Folge der Einspannung

Da der Pfettenstoß nun als eingespannt zu betrachten ist, treten größere Zug- (Blaue Pfeile) und Druckkräfte (Schwarze Pfeile) am Ende der Pfette auf, denen diese entgegenwirken muss.

Zug- und Druckkräfte in einem Durchlaufträger mit Kopfband
Vertikalkräfte in einem Durchlaufträger mit Kopfband

Die einseitige Rissbildung erklärt sich durch die unterschiedliche Beanspruchung: Während der linke Falz zusammengedrückt wird, wird der rechte Falz auseinandergezogen. Die Kerbwirkung der Ausklinkung begünstigt die Rissbildung an dieser Stelle.

Wie man eine Überblattung saniert

Nachdem die Ursache des Risses geklärt ist, stellt sich die Frage, wie dieser Fehler behoben und von vornherein vermieden werden kann. Die effektivste und einfachste Lösung in diesem Fall besteht darin, zwei Vollgewindeschrauben von oben oder unten einzudrehen, um die Zugkräfte an der entsprechenden Stelle aufzunehmen. Für eine optimale Aufnahme der Zugkräfte sollten die Schrauben mindestens 2/3 der Höhe des Balkens betragen und möglichst nah an der Kerbe angebracht werden. Je weiter sie entfernt ist, desto länger dauert es, bis die Zugfestigkeit der Schraube wirksam wird.
Sanierung eines Durchlaufträgers mit Kopfband

Vorbeugung durch richtige Planung

Um Risse bereits bei der Planung zu vermeiden, sollte der Stoß generell nicht über der Stütze, sondern im sogenannten Momentennullpunkt platziert werden, wo keine Biegemomente auftreten. Der Momentennullpunkt kann grob durch 0,85xSplannweite abgeschätzt werden. Allerdings ist Vorsicht geboten: Eine Überblattung wie hier ausgeführt, ist nicht empfehlenswert, da sich der Riss sonst auf der anderen Seite ausbilden kann. Stattdessen wäre ein Gerberstoß oder eine statisch nachgewiesene Verschraubung empfehlenswert.
optimales Statisches System eines Durchlaufträgers mit Kopfband

Häufig gestellte Fragen

Ich bin Bauingenieur und Holzbauingenieur und arbeite als Tragwerksplaner. Durch Studium und die Arbeit konnte ich mir entsprechende Fähigkeiten aufbauen.

Wie bereits erwähnt, empfehle ich einen Gerberstoß, sofern die Längen der Pfetten dies zulassen. Alternativ ist auch eine Überblattung mit Verschraubung eine Option, jedoch sollte die Tragfähigkeit nachgewiesen werden, da eine reine Verschraubung weniger Kraft übertragen kann.

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