Von: Yannick Wild (Bauingenieur, Holzbauingenieur)
Stand: 25.11.2024
Funktionsweise von Zuganker im Holzbau
Einsatzgebiete von Zugankern
Zuganker sind zentrale Verbindungselemente im Holzbau, insbesondere im Holztafelbau, deren Funktionsweise darin besteht, Zugkräfte sicher aufzunehmen und abzuleiten. Sie kommen vor allem bei der Aussteifung von Konstruktionen, der Verbindung von Holz- und Betonbauteilen sowie als Sicherung gegen Abheben zum Einsatz.

Zuganker finden ihre Hauptanwendung in der Aussteifung von Holztafelwänden. Sie nehmen horizontale Zugkräfte auf, die durch Wind- oder Erdbebenlasten entstehen, und leiten diese sicher in die tragenden Bauteile der Konstruktion ab. Dabei sorgen sie dafür, dass die Stabilität der Wände auch bei hohen Belastungen gewährleistet bleibt. Besonders an Wand- und Deckenanschlüssen sind sie unverzichtbar, um die Kräfte in die Gesamtkonstruktion einzubinden.
Neben der klassischen Aussteifung ermöglichen Zuganker auch moderne, kreative Konstruktionen. Sie können dazu genutzt werden, Bauteile an anderen Bauteilen „aufzuhängen“, was in Projekten wichtig wird, bei denen Stützen aus architektonischen oder funktionalen Gründen nicht realisiert werden können. So lassen sich offene, filigrane Konstruktionen umsetzen, die sowohl optisch als auch funktional überzeugen.
Normen und Richtlinien der verschiedenen Hersteller von Zugankern
Die Verwendung von Zugankern im Holzbau unterliegt strengen Vorgaben, die durch nationale und internationale Normen sowie spezifische Produktzulassungen geregelt sind.
Wichtige Normen und Regelwerke
DIN EN 1995-1-1 (Eurocode 5)
Diese Norm bildet die Grundlage für die Bemessung und Konstruktion von Holzbauwerken in Europa. Sie enthält allgemeine Vorschriften zur Dimensionierung von Zugankern und deren Verankerung.
Nationale Anwendungsdokumente (NAs) ergänzen den Eurocode 5 und berücksichtigen länderspezifische Anforderungen.
ETA-Zulassungen (European Technical Assessment)
Viele Hersteller bieten Zuganker mit ETA-Zulassung an. Diese Zulassungen spezifizieren die Eigenschaften und den Anwendungsbereich der Produkte.
Beispiele: Tragfähigkeitswerte, Verankerungstiefe und zulässige Verbindungsmittel.
DIN 1052 (Holzbauwerke)
Diese ältere Norm wird teilweise noch in der Praxis herangezogen, insbesondere bei Sanierungsprojekten. Sie behandelt die Verbindungsmittel und deren Bemessung.
Tragfähigkeit von Zuganker und zu prüfende Versagensmechanismen
Bei der Bemessung von Zugankern müssen mehre Versagensfälle berücksichtigt und nachgewiesen werden. In der Regel sind diese:
Stahlversagen des Zugankers
- Bei Überbeanspruchung des Zugankers kann das Stahlmaterial versagen. Dies tritt ein, wenn die aufgebrachten Kräfte die Zugfestigkeit des Materials überschreiten. Besonders kritisch ist dies bei fehlerhafter Dimensionierung oder bei unerwartet hohen Lasten.
Versagen der Nägel oder Schrauben im Holz (Lochleibungsversagen)
- Verbindungsmittel wie Nägel oder Schrauben können im Holz durch Lochleibungsversagen ausbrechen. Dabei verformt sich das Holz um die Verbindungsmittel so stark, dass die Tragfähigkeit der Verbindung verloren geht. Holzqualität, Querschnitt und die Anzahl der Verbindungsmittel sind hier entscheidend.
Stahlversagen der Nägel oder Schrauben
- Neben dem Versagen im Holz selbst können auch Nägel oder Schrauben aus Stahl brechen, wenn ihre Tragfähigkeit überschritten wird. Dies tritt häufig bei zu kleinen Durchmessern oder zu kurzen Verbindungsmitteln auf.
Versagen der Verankerung im Untergrund
- Ein häufiger Schwachpunkt liegt in der Verankerung des Zugankers. Obwohl der Zuganker selbst die erforderliche Tragfähigkeit aufweist, kann die Verankerung im Untergrund versagen, da sie nicht ausreichend bemessen oder geprüft wurde.
- Dieses Problem resultiert oft daraus, dass die Verankerungsmittel, wie z. B. Holzschrauben oder Ankerbolzen, nicht Teil einer spezifischen Produktnorm sind. Sie müssen daher separat nachgewiesen werden, was zu Fehlern führen kann.
Häufige Fehler bei der Bemessung und Montage von Zugankern
Ein häufiger Planungsfehler liegt im unzureichenden Nachweis der Verankerung im Untergrund. Während die Tragfähigkeit des Zugankers selbst oft korrekt dimensioniert ist, wird die Verbindung zum Untergrund – sei es Holz, Beton oder Mauerwerk – häufig nicht ausreichend geprüft. Verankerungsmittel wie Holzschrauben oder Ankerbolzen unterliegen in der Regel keiner Produktnorm und müssen separat nachgewiesen werden. Versäumnisse in diesem Bereich können dazu führen, dass die Konstruktion trotz ausreichender Tragfähigkeit des Zugankers versagt.
Fehler bei der Montage
Bei der Montage sind ebenfalls typische Fehler zu beobachten, die die Tragfähigkeit und Funktionalität der Verbindung gefährden. Besonders kritisch ist die korrekte Ausführung der verpflichtenden Nägel oder Schrauben, unabhängig davon, ob eine Voll- oder Teilausnagelung geplant ist. Diese, meist vier verbindlichen Nägel oder Schrauben, sind entscheidend, um das Versatzmoment zwischen Wand und Verankerung sicher aufzunehmen. Fehlende oder falsch gesetzte Verbindungsmittel können zu einer unzureichenden Kraftübertragung und damit zu einer instabilen Konstruktion führen.

Besonderheit: Befestigung auf der OSB-Platte
Ein häufiger und normwidriger Montagefehler betrifft die Befestigung von Zugankern bei Holzrahmenbauwänden auf der OSB-Platte. Obwohl dies nach den geltenden Normen nicht zulässig ist, wird es in der Praxis häufig so ausgeführt. Die Norm verlangt, dass Zuganker direkt an den Holzstielen befestigt werden, da diese die Lasten zuverlässig in die tragende Konstruktion ableiten können.
Allerdings wird diese Vorgabe zunehmend diskutiert, insbesondere in wissenschaftlichen Kreisen. Einige Professoren und Fachleute vertreten die Ansicht, dass die Befestigung des Zugankers auf der OSB-Platte in der Praxis oft zu keinen signifikanten Abweichungen in der Tragfähigkeit führt. Versuchsergebnisse bestätigen, dass bei derartigen Befestigungen die Tragfähigkeiten nur geringfügig variieren. Dennoch bleibt das Risiko eines Versagens durch Querdruck oder Ausbrechen der OSB bestehen, weshalb die Norm weiterhin die Befestigung am Stiel vorschreibt.
Konflikt mit der diffusionshemmenden Ebene
Ein weiterer Kritikpunkt der normativen Vorgabe, Zuganker direkt an den Holzstielen zu befestigen, betrifft die Beschädigung der diffusionshemmenden Ebene, die häufig durch die OSB-Platte gebildet wird. Werden Zuganker direkt an den Holzstielen montiert, können Schrauben oder Nägel die OSB durchdringen, was die Luftdichtheit und den Feuchteschutz der Konstruktion beeinträchtigen kann. Dieses Problem ist vor allem im energieeffizienten Holzbau ein bedeutender Aspekt.
Typische Montagefehler:
Befestigung auf der OSB statt auf den Stielen:
- Häufig wird der Zuganker nicht gemäß Norm am Holzstiel befestigt, sondern auf der OSB-Platte montiert, was die Tragfähigkeit und Stabilität beeinträchtigen kann.
Unvollständige Verbindungsmittel:
- Fehlende verpflichtende Nägel oder Schrauben führen dazu, dass Versatzmomente nicht sicher aufgenommen werden.
Nicht zugelassene Verbindungsmittel:
- Verwendung von Nägeln oder Schrauben, die nicht den Spezifikationen entsprechen, verringert die Tragfähigkeit.
Beschädigung der OSB-Platte:
- Die normgerechte Befestigung am Holzstiel kann die diffusionshemmende Ebene durchstoßen und die Dichtheit der Wand beeinträchtigen.
Häufig gestellte Fragen
Ein Zuganker ist ein Verbindungselement, das Zugkräfte in Holzkonstruktionen aufnimmt und sicher überträgt. Er wird hauptsächlich zur Aussteifung von Holzrahmenbauwänden, zur Verbindung von Holz- und Betonbauteilen sowie zur Sicherung gegen Abheben eingesetzt.
Die wichtigsten Regelwerke sind:
DIN EN 1995-1-1 (Eurocode 5): Enthält allgemeine Vorschriften zur Bemessung von Zugankern.
ETA-Zulassungen: Diese geben spezifische Informationen zu Produkten und deren Anwendungsbereiche.
Nationale Anwendungsdokumente (NA): Ergänzen den Eurocode 5 um länderspezifische Anforderungen.
Falsche Verankerung im Untergrund: Der Nachweis der Verankerung wird oft vernachlässigt.
Nicht vollständige Verbindungsmittel: Verbindliche Nägel oder Schrauben werden nicht korrekt ausgeführt.
Befestigung auf der OSB-Platte: Obwohl nicht normgerecht, wird dies in der Praxis häufig gemacht.
Stahlversagen des Zugankers: Bei Überbeanspruchung.
Versagen der Verbindungsmittel: Lochleibungsversagen oder Bruch der Nägel/Schrauben.
Versagen der Verankerung im Untergrund: Besonders kritisch bei unzureichendem Nachweis.