Schubweiche oder schubsteife Deckenscheiben entscheiden im Holzbau über die Lastverteilung
Stand: 15.04.2025
Von: Yannick Wild (Bauingenieur, Holzbauingenieur)
Schubweiche oder Schubsteife Deckenscheiben entscheiden im Holzbau über die Lastverteilung. Die richtige Einstufung ist für Statiker daher entscheidend.
Die Einstufung einer Holzdecke als schubweiche oder schubsteife Deckenscheibe entscheidet im Holzbau über die Verteilung der Horizontalkräfte aus Winddruck und -sog. Die richtige Einstufung ist dabei gar nicht so schwer.
Das Wichtigste in Kürze
- Deckenscheiben dienen nicht nur zum vertikalen Lastabtrag sondern auch für horizontale Lasten aus Wind oder Erdbeben.
- Deckentypen im Holzbau unterscheiden sich und besitzen unterschiedliche statische Eigenschaften.
- Schubweiche Deckenscheiben sind gegenüber Verformungen gefährdeter.
- Schubstare Deckenscheiben sind robuster und verteilen Lasten besser.
Unterschied Holzdecken und Stahlbetondecken
Im Gegensatz zu vor Ort monolithisch hergestellten Betondecken werden Holzdecken häufig aus Einzelelementen verlegt und verschraubt. Dadurch ergeben sich statische Unterschiede im Widerstand der Decke gegen äußere Einwirkungen.
Während Stahlbetondecken dank der Bewehrung in oberer und unterer Lage Lasten flächig verteilen und Windlasten oft ohne besondere Nachweise aufnehmen können, konzentrieren sich bei Holzdecken aufgrund der Elementbauweise hohe Schub-, Druck- und Zugkräfte in den Anschlussfugen bzw. Verbindungsstößen der einzelnen Elemente. im Bild ein Vergleich zwischen einer Holzbalkendecke und einer monolitischen Ortbetondecke im Bezug auf Stöße und Fugen.
Ehemalige Anforderungen zur Ausbildung von Deckenscheiben
angels normierter Berechnungsverfahren galten früher konstruktive Vorgaben, die die Aufnahme der auftretenden Kräfte sicherstellen sollten. Diese Anforderungen machten Holzdecken jedoch aufwendig in der Herstellung und wenig geeignet für die Werksfertigung sowie die schnelle Montage auf der Baustelle. Mit der Einführung des erweiterten Schubfeldträgermodells wurden Holzdecken berechenbar, und viele konstruktive Einschränkungen entfielen.
Heutige Anforderungen an Holzdecken
Ein Problem aus Sicht der Statik sind die heutigen Anforderungen an Holzdecken durch die Zimmereien, vorgefertigte Elemente auf der Baustelle schnell montieren zu können. Aus Gründen der effizienten LKW-Verladung sind diese Elemente oft rechteckig. Dadurch lässt sich eine schachbrettartige Verlegung häufig nicht realisieren; es entstehen ungünstige Fugenbilder und damit konstruktive Schwachstellen. Die Unterschiede und Merkmale der einzelnen Deckentypen sind in unserem Artikel zu Holzdecken ausführlich erläutert; daher gehen wir hier nicht weiter ins Detail.
Kurz:
CLT-/BSP-Decken: kreuzweise verleimte Holzlagen (Brettsperrholz).
BSH-Decken: stehende, schichtweise verleimte Holzbalken (Brettschichtholz).
Balkendecken: einzelne Holzbalken in größerem Abstand, mit Platten verbunden.
Zug- und Druckkräfte in der Holzdecke
Aufgrund horizontaler Windkräfte entstehen in Holzdecken Zug- und Druckkräfte infolge von Biegemomenten in der Deckenscheibe. Insbesondere in Verlegerichtung erfordert die Beanspruchung mehr Aufmerksamkeit durch den Tragwerksplaner als quer zur Verlegerichtung.
Druckkräfte können bei CLT- und BSH-Decken durch direkten Kontakt und Pressung aufgenommen werden. Bei Holzbalkendecken ist dies auch über die Beplankung möglich, sofern sie druckfest ausgebildet ist. In der Praxis treten jedoch häufig kleine Fugen an den Plattenstößen auf; daher sollte ein Druckgurt zwischen den Balken vorgesehen werden.
Zugkräfte können bei CLT- und BSH-Decken über kreuzweise angeordnete Verschraubungen oder auch über Klammern/Nägel aufgenommen werden. Bei Holzbalkendecken kann ebenfalls die Beplankung in Kombination mit den Verbindungsmitteln herangezogen werden. Reicht dies nicht aus, lassen sich zusätzliche Holzbretter als Zugglieder in die Decke einlassen oder Rispenbänder nachträglich auf der Beplankung anordnen und in die Balken einnageln.
Schubkräfte in den Deckenscheiben
Neben Zug- und Druckkräften entstehen auch Schubkräfte in den Fugen der einzelnen Elemente, die ein horizontales Gleiten auslösen können. Um diesem Schubfluss entgegenzuwirken, sind die Elemente schubsteif auszubilden. Eine ausreichend schubsteife Verbindung lässt sich durch regelmäßige, gekreuzte Verschraubungen oder Verklammerungen sicherstellen.
Schubweiche und schubsteife Deckenscheiben
Ob eine schubweiche oder schubsteife Deckenscheibe vorliegt, muss der Tragwerksplaner individuell beurteilen; dies ist maßgebend für die Weiterleitung der horizontalen Kräfte in die Wände und in die darunterliegenden Geschosse.
Je nach Systemwahl erhalten Außenwände mehr oder weniger Last als Innenwände. Bei der zugrunde gelegten Methode des erweiterten Schubfeldträgers werden weniger steife Wände an den Auflagern näherungsweise gelenkig angenommen; Durchlaufwirkungen und die daraus resultierenden Stützmomente über den Auflagern (Wänden) werden nicht berücksichtigt.
Einstufung von Deckenscheiben entsprechend Ihrer Steifigkeiten
Eine einheitliche Einstufung der Steifigkeit verschiedener Deckentypen ist nicht pauschal möglich; die Scheibensteifigkeiten sind projekt- und detailabhängig spezifisch zu ermitteln.
Als Autor und Tragwerksplaner im Holzbau lassen sich aus Erfahrung dennoch Richtwerte benennen. Die Wahrheit liegt meist in der Mitte – die Angaben sind daher kritisch zu prüfen und nicht als Ersatz für einen Nachweis zu verstehen.
Stahlbetondecke: höchste Steifigkeit im Vergleich → Wertigkeit 1,0 (Referenz).
Holzbalkendecke: in Balkenrichtung wegen vieler Stöße und Verbindungsmittel am weichsten; quer zur Balkenlage steifer. (Anschaulich wie beim Meterstab: ein einzelnes Glied ist leicht zu biegen, der ganze Stab deutlich schwerer.)
→ ca. 0,1 in Balkenrichtung, ca. 0,4 quer.BSH-Decke (Brettschichtholz): ähnlich einer Balkenlage, jedoch mit weniger Verbindungsmitteln und dadurch höherer Steifigkeit.
→ ca. 0,2 in Balkenrichtung, ca. 0,7 quer.BSP-/CLT-Decke (Brettsperrholz): durch kreuzweise Verleimung in beide Hauptrichtungen sehr steif und gute Lastverteilung.
→ ca. 0,9 in beide Richtungen.
Hinweis: Die „Wertigkeiten“ sind erfahrungsbasierte, unverbindliche Skalierungswerte relativ zur Stahlbetondecke (= 1,0) und ersetzen keine objektbezogene Steifigkeits- und Verformungsberechnung.
eine monolithische Deckenscheibe ist, wie der Name schon sagt, eine Deckenscheibe aus einem monolithischen Werkstoff, in der Regel handelt es sich hierbei um Stahlbeton, aber auch CLT-Decken können unter Umständen als solche bezeichnet werden
Als schubweiche Deckenscheiben werden solche Decken bezeichnet, welche wegen ihrer Konstruktion enorm anfällig für Schubkräfte sind. Also Decken mit vielen Fugen, bei denen eine Nachgiebigkeit durch Verbindungsmittel (Nägel, Klammern, Schrauben) besitzen.
Als schubstarre Deckenscheiben werden solche Decken bezeichnet, welche wegen ihrer Konstruktion nur wenig oder gar nicht anfällig für Schubkräfte sind. Also Decken die im späteren Zustand als ein Bauteil angesehen werden können. Z.B. Stahlbetondecken oder CLT-Decken aus größeren Elementen.
Schubweiche Decken sind Holzdecken, bei denen horizontale Kräfte – insbesondere in Verlegerichtung – einen Schubfluss erzeugen, der die einzelnen Elemente gegeneinander zum Gleiten bringt.
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